Betreiberpflichten im Hinblick auf die VDI Richtlinie 6022

„Hygieneanforderungen an Raumlufttechnische Anlagen“

In der VDI 6022 ist die hygienische Instandhaltung von raumluft-technischen Anlagen gefordert. Zur Sicherheit eines einwandfreien Betriebszustandes von RLT- Anlagen sind periodische Wartungs- und Reinigungstätigkeiten gefordert, welche die Betriebskosten durchaus ansteigen lassen. Mittelfristig wird jedoch durch diese Maßnahmen eine Kostensenkung erreicht, da Investitionen im Bereich Instandsetzung eingespart werden können.

 

Für Gebäudeeigentümer und Betreiber von RLT-Anlagen stellt sich jedoch immer wieder die zentrale Frage: Ist die Umsetzung der VDI- Richtlinie 6022 in die betriebliche Praxis rechtlich verbindlich?
Um diese Frage zu beantworten, muss man bis in das Jahr 1979 zurückblicken, nämlich auf einen Workshop der WHO (Weltgesundheitsorganisation) in Builthoven in den Niederlanden. Damals wurden unterschiedliche, mögliche Einflüsse des Innenraumklimas auf die menschliche Gesundheit diskutiert. Man einigte sich unter anderem darüber, dass die Normen für die Lüftungstechnik nicht nur im Hinblick auf ein geeignetes Europa, sondern auch unter der Betrachtung auf durchaus mögliche gesundheitliche Auswirkungen neu überarbeitet werden müssen. Im europäischen Umfeld sowie in Deutschland wurde dann in den 80er Jahren das Sick Building Syndrom unter Berücksichtigung raumlufttechnischer Anlagen als Einflussfaktor untersucht. Dabei wurde in einigen wissenschaftlichen Studien festgestellt, dass eine vernachlässigte Anlagenwartung das Innenraum-klima nachhaltig beeinflussen kann.

 

In Anbetracht dieser Ergebnisse wurden Stimmen laut, künftig Missstände durch eine gesetzliche Verordnung auszuschließen. 1992 entschloss sich jedoch die Bundesregierung in einer Konzeption zur Verbesserung des Innenraumklimas dazu, kein Gesetz oder eine Verordnung in diese Richtung zu verabschieden, sondern vielmehr müssten im Zuge der oftmals geforderten gesetzlichen Deregulierung technische Richtlinien und normative Standards bezüglich dieser Problematik als Regulierungsinstrument von dazu kompetenten Verbänden entwickelt werden.

 

Diese Vorgabe wurde vom VDI (Verein Deutscher Ingenieure) mit der Erarbeitung und Veröffentlichung der VDI 6022 umgesetzt. Parallel dazu wurden europäischen Richtlinien zur Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes verabschiedet, welche in nationale Gesetze und Verordnungen umgesetzt werden müssen. Zum Schutz bzw. einer Verbesserung der Arbeitsumwelt ist eine präventive und dynamische Arbeitsschutzpolitik ist notwendig, welche nicht allein auf technische Lösungen abzielt.

 

Aus Sicht der kostengeplagten Sozialversicherungssysteme ist durch die Realisierung dieses präventiven Arbeitsschutzverständnisses eine Reduktion von arbeitsbedingten Erkrankungen und somit eine gesamtwirtschaftliche Entlastung zu erwarten. 1998 mündeten diese Anforderungen im deutschen Arbeitsschutzgesetz, ArbSchG. Eine Kernaussage im Hinblick auf die praktische Anwendung der VDI 6022 wird mit der Verpflichtung des Arbeitgebers zu grundsätzlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes getroffen.

 

Unter Paragraph 4 des ArbSchG ist verankert, dass dabei der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen sind. Der Begriff des Stands der Technik geht weiter als vielfach in Wartungs- und Serviceverträgen zitierte Begriff „allgemein anerkannte Regel der Technik“, weil dafür weder eine allgemeine Anerkennung durch die Fachwelt noch eine allgemeine praktische Erprobung und Bewährung vorliegen muss. Dies bedeutet, dass einer technischen Richtlinie wie der VDI 6022, in welcher praktische Erfahrung als Regeln und Erkenntnisse wiedergegeben werden, eine faktische Bindungswirkung zugeordnet werden kann. Die VDI 6022 ist juristisch als rechtsnormenähnlich einzustufen und erhält dadurch indirekt Gesetzescharakter.

 

 

RLT Anlage (Fotos)

 

 

Verantwortung und Rechtsgefahren bei der betrieblichen Umsetzung

 


Für die betriebliche Umsetzung der VDI 6022 in die tägliche Praxis ist die Unternehmensleitung zuständig. Diese ist gem. ArbSchG verpflichtet, eine geeignete Organisation mit dem Ziel einer effizienten Planung und Durchführung von Arbeitsschutzmaßnahmen zu schaffen.

Einzelne Fachabteilungen wie kaufmännisches und tech-nisches Gebäudemanagement sowie Arbeitssicherheit sorgen für die praktische Umsetzung präventiver Maßnahmen.

 

Werden die in der VDI 6022 festgelegten Wartungs- und Reinigungsmaßnahmen nicht oder nur teilweise beim Betrieb von raumlufttechnischen Anlagen berücksichtigt, so können folgende Punkte rechtlich Bedeutung gewinnen.

• Organisationsverschulden


Im Rahmen der betrieblichen Organisation ist die Unternehmensleistung sowie die zuständigen Fach- und Führungskräfte bei möglichen Schäden schadensersatz-pflichtig. Ein Haftungsausschluss kann nur erwirkt werden, wenn ein pflichtgemäßes Verhalten (Erfüllung der Führungsaufgaben) vorliegt. Von einer Strafe oder Geldbuße wären entweder die Unternehmensleistung und in der Hierarchie folgende Führungskräfte persönlich betroffen!


• Umkehr der Beweislast


Kann ein Unternehmen einen regelkonformen Betrieb seiner Anlagen (Dokumentationspflicht) nicht beweisen, so kehrt sich die Beweislast um. Beispiel: Ein Arbeitnehmer behauptet, er habe am Arbeitsplatz durch die seiner Meinung nach mangelhaft gewartete RLT- Anlagen eine Schimmelpilzallergie erworben. Alle in der Beweisführung anfallenden Kosten für Messungen, technische und medizinische Sachverständigengutachten sind vom Unternehmen zu bezahlen.

Bestandsschutz für ältere RLT- Anlagen


In der Praxis wird von Betreibern immer wieder vorgebracht, die vorhandenen Anlagen wären vor Inkrafttreten der VDI 6022 errichtet worden und hätten somit Bestandschutz, das heißt, eine Umsetzung der VDI 6022 wäre nicht notwendig. Grundsätzlich ist ein Bestandsschutz im Baurecht möglich. Ohne nähere Betrachtung ist jedoch anzumerken, das in der Regel ein möglicher Bestandsschutz schon bei geringsten Änderungen an einer RLT- Anlage entfällt (z. B. Nachrüstung oder Austausch regeltechnischer Einrichtungen usw.) Einen Brandschutz rechtssicher darzustellen, dürfte in der Praxis kaum möglich sein. Nach Ansicht von Gerichten haben beispielsweise Mietparteien in Immobilienprojekten auch dann Anspruch auf den Betrieb vorhandener Anlagen nach dem Stand der Technik, wenn diese Gebäude unter anderen als den geltenden Anforderungen errichtet wurden.


Überwachung VDI 6022 in der Praxis


Die Überwachung der Einhaltung der VDI 6022 ist staatliche Aufgabe und wird von Gewerbeaufsichtsämtern beziehungsweise den Ämtern für Arbeitsschutz wahrgenommen. Technische Aufsichtsbeamte dieser Organisationen sowie der technische Aufsichtsdienst der Berufsgenossenschaften (Träger der gesetzlichen Unfallversicherung) überprüfen die betriebliche Umsetzung. In mehreren Bundesländern wie beispielsweise NRW und Berlin wird die Hygiene in der Raumlufttechnik derzeit schwerpunktmäßig kontrolliert.