Pflichten und Haftung des Betreibers beim Betrieb von RLT-Anlagen nach VDI 6022

VDI 6022
Die Richtlinie 60200


(Hygienische Anforderung an RLT-Anlagen)

existiert seit 1998
Vorher gab es keine technischen Anforderungen für deren Betrieb
Sie regelt erstmals Planung, Erstellung und Betrieb von RLT-Anlagen


Sie ist kein Gesetz


Muss man die Richtlinien beachten?


EU-Recht


EU-Rahmenrichtlinie über die „Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit“ (89/391/EWG)
EU Normen stehen über allem, sie müssen in nationales Recht überführt werden


Deutsche Gesetze

 

Landesbauverordnung besagt in


3.0 Allgemeine Anforderungen


(1) Bauliche Anlagen sowie Grundstücke, andere Anlagen und Einrichtungen im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 sind so anzuordnen und zu errichten, daß die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit oder die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht bedroht werden und daß sie ihrem Zweck entsprechend ohne Mißstände benutzbar sind. Für den Abbruch baulicher Anlagen gilt dies
entsprechend.


Arbeitsstättenverordnung


Anforderungen an Arbeitsstätten nach §3 Abs.1


3.6 Lüftung


Ablagerungen und Verunreinigungen in raumlufttechnischen Anlagen, die zu einer unmittelbaren Gesundheitsgefährdung durch die Raumluft führen können, müssen umgehend beseitigt werden.
Überwachung des Arbeitsschutzes
Gewerbeaufsichtsämter bzw. Ämter für Arbeitsschutz
Technische Aufsichtsbeamte der gewerblichen Berufsgenossenschaften (Träger der gesetzlichen Unfallversicherung)


Arbeitsschutzgesetz


§4 Allgemeinen Grundsätzen:
Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen:
3. bei den Maßnahmen sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen;


Stand der Technik – was heißt das?


Das Bundesverfassungsgericht sagt:
Stand der Technik ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen und Betriebsanweisungen der die praktische Eignung einer Maßnahme… gesichert erscheinen lässt.


Technikklauseln


Allgemein anerkannte Regeln der Technik (aaRdT)
Diverse Rechtsverordnungen, gültig dann, wenn sie sich nach Ansicht der Mehrheit auf diesem Gebiet tätigen Fachleute bewährt bleiben
Stand der Technik (SdT) – erhöhtes Schutzniveau, die Eignung zur Gefahrenabwehr muß lediglich als gesichert erscheinen, die Verfahren sind noch nicht hinreichend und langjährig erprobt.
Stand der Wissenschaft und Technik (SdWT) repräsentiert das höchste überhaupt erreichbare Schutzniveau, Schadensvorsorge auf neuesten Erkenntnissen. Sehr hohe Anforderungen, die nur von wenigen erfüllt werden können.

 

VDI Richtlinien


VDI Richtlinien sind richtungsweisend für die Arbeit von Ingenieuren und Technikern
schaffen Vergleichbarkeit
finden internationale Anerkennung
Der Inhalt aller VDI-Richtlinien wird regelmäßig auf Aktualität geprüft und, wenn nötig, überarbeitet.
Sie stellen somit ein unverzichtbares Instrument zur Beschreibung des aktuellen Standes der Technik dar.


VDI 6022 – Stand der Technik?


Sie ist die meist diskutierte und nachgefragte Richtlinie des VDI
Sie ist international nachgefragt und anerkannt
Der DIN Normenausschuss akzeptiert offensichtlich die Richtlinie
Sie hat Eingang in die VOB 2002 gefunden
Sie ist Stand der Technik!


VDI 6022


Der Betreiber hat durch die ordnungsgemäße Betriebsführung und fachgerechte Instandhaltung die bestimmungsgemäße, auch hygienisch einwandfreie Funktion und den wirtschaftlichen und energiesparenden Betrieb der RLT-Anlage zu gewährleisten.


Ausschluss der VDI 6022


Vertraglich lässt sich die VDI 6022 oder Teile der VDI 6022 ausschließen
Bei hygienebedingten Problemen mit der RLT-Anlage haftet derjenige der den Ausschluss zu verantworten hat.
Das Gericht interessiert es nicht. Wenn die allgemein anerkannten Regeln bzw. der Stand der Technik nicht angewendet wurde, haftet der, der die Ausnahme genehmigt hat.


 

 

VDI 6022

 

Kommt es zu Rechtstreitigkeiten, aus welchem Grund auch immer (Krankheit durch RLT-Anlagen, Unfälle usw) richtet sich das Gericht nach dem Stand der Technik.

Hat man eine neue RLT-Anlage, so darf man nicht glauben, man muß sich um nichts kümmern und kann trotzdem gesundheitlich zuträgliche Luft produzieren.

 

 

Organisation


Vertraue nie auf die Technik alleine
Fehler passieren häufig in der Organisation
Es gibt keine Techniker in schwarzer Robe
Von 130 schweren Industrieunfällen (Störfallverordnung nach Seveso I) in den letzten 10 Jahren gingen 90% der Unfälle auf Versäumnisse des Managements zurück.

 

Sicherheit durch Organisation


Es müssen grundlegende Prinzipien für ein Managementsystem festgelegt werden, die geeignet sein müssen, den Gefahren schwerer Unfälle vorzubeugen und sie zu verringern und die Unfallfolgen zu begrenzen. (Richtline 96/82 EG v. 09.12.96)

 

Gerichtsfeste Organisation


Eine festgelegte Aufbau- und Ablauforganisation mit
Anweisungs-, Auswahl- und Überwachungspflichten
transparente Delegation von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung
entsprechende Kooperationsregelung als
Anweisungssystem und
Nachweissystem.


Organisationshaftung


Die Verantwortung für das korrekte Betreiben und Instandhalten von Installationen und Betriebsmitteln liegt für Arbeitsstätten aufgrund des Arbeitsschutzrechtes beim Unternehmer.
Fehler können hier durch falsches Verhalten der ausführenden Person entstehen (so genannte organisatorische Fehler, z.B. Vernachlässigen der Prüfvorschriften o.ä.)

 

Rechtsprechung BGH


Dem Anlagenbetreiber obliegen Anweisungs-, Auswahl- und Überwachungspflichten, soweit er Aufgaben oder Tätigkeiten an Beschäftigte oder Auftragnehmer delegiert.
§4, Ziffer 7 ArbSchG regelt dies
Er ist nicht nur verantwortlich für das, was er tut, sondern auch für das was er nicht tut.

 

Delegation der Verantwortung


Trotz Delegation bleibt der Übertragende in der Verantwortung.
Seine Verantwortung hat sich nur geändert.
(BGHSt 19, 286, 288)
Pflichten des Übertragenden
Auswahlpflicht
Instruktionspflicht
Kontrollpflicht
Eingriffspflicht
Delegation der Verantwortung
Keine Entlastung aus der Sorgepflicht, wenn Übernehmender:
nicht qualifiziert ist,
nachlässig arbeitet,
nicht die Möglichkeit zur Pflichterfüllung hat,
eine unvorhersehbare Situation eintritt.

 

 

 

 

 

 

 


Beispiel einer Organisationshaftung

 

     

Werker Neutralisation

 

Handlungsverantwortung
Keine Strafe

Abteilungsleiter

 

Aufsichtspflicht
150.000,00€
Werksleiter Konkrete Organisationsverantwortung Kontrollpflicht
40.000,00€
Zuständiges Vorstandsmitglied Verantwortung kraft funktioneller Sachzuständigkeit
325.000,00€
Vorsitzender des Vorstandes Generalverantwortung und Allzuständigkeit/Organisationspflicht
125.000,00€

Quelle: G. Eidam: Unternehmen und Strafe

Konsequenzen


Eine Entlastung durch anweisende und nachweisende Dokumentation muss erreicht werden.
Wenn nicht, bedeutet dies im Strafrecht, dass die Freizeit oder das Privatvermögen angegriffen wird.
Geldmangel zählt dabei nicht,
Betriebssicherheit geht vor Neugestaltung


Rechtliche Konsequenzen


Für die rechtliche Verantwortung von Führungskräften gelten die Grundgesetze:
Keine Haftung (Strafe) bei pflichtgemäßem Verhalten (Erfüllung der Führungsaufgaben)
Haftung (Strafe) bei schuldhaften Handeln oder Unterlassen (Nichterfüllung der Führungsaufgaben)
Wer sich verhält wie ein pflichtbewusster Unternehmer oder Vorgesetzter (mit gleichen Aufgaben und Mitteln, in gleicher Position und Situation) handelt verantwortungsbewusst = Verantwortungserfüllung in vollem Umfang!


Zusammenfassung


Die VDI 60222 ist kein Gesetz, aber sie hat Gesetzescharakter
Verantwortliche haben sich unbedingt daran zu halten
Eine Missachtung kann zu großen Problemen führen
Der Aufbau einer Organisation zur Lüftungshygiene ist ratsam.